Äußerungen von Johannes Kühn über sein Leben und Schaffen
Johannes Kühn war kein gesprächiger Mensch, sondern hielt sich in Gesellschaft lieber zurück und hörte zu. Stellte man ihm eine Frage, gab er meistens kurze, präzise Antworten. Weitschweifigkeit war ihm ebenso fremd wie Geltungsdrang. Der Dichter war einer der Stillen und Scheuen im Lande und sang das Lob der Genügsamkeit. Nur selten äußerte er sich über persönliche Empfindungen oder über seine schriftstellerischen Ambitionen. „Ich brauche nicht über mein Leben zu sprechen, weil ja alles in den Gedichten steht“, sagte er einmal zu seinem saarländischen Schriftstellerkollegen Ludwig Harig. Hier und da ließ er sich allerdings im Dialog mit Freunden, Journalisten oder Teilnehmern einer öffentlichen Veranstaltung doch ein paar Sätze über sein Leben und Schreiben entlocken. Hier und da traf er sich auch mit dem Fotografen Wolfgang Wiesen aus Hasborn, der ihn über Jahre hinweg immer wieder ablichtete und eine Reihe eindrucksvoller Porträts schuf.
Johannes Kühn vor dem „Wortsegel“ am Schaumberg bei Sotzweiler, einer riesigen Stahlplastik, die der Künstler Heinrich Popp als „Denkmal für die Poesie“ geschaffen hat. Alle Fotos: Wolfgang Wiesen
„Der Dichter wartet nicht auf Stimmungen. Er holt sich ein weißes Blatt Papier und beginnt mit dem Schreiben. Dabei kommt ihm sein handwerkliches Können zugute. Also, der Dichter muß sein Handwerk können wie ein Schmied.“
„Zum Schreiben holt man sich einen Stift und ein Blatt Papier. Wenn einem dann etwas einfällt, ist es gut. Fällt einem aber nichts ein, muß man den Einfall erzwingen.“
„Mein Vater hatte meinetwegen Sorgen. Er hat mir öfters gesagt: ‚Du bringst das Geld fürs Papier nicht auf, das du beschreibst!’ Darin hat er nicht recht gehabt. Das Papier ist inzwischen bezahlt.“
„Ich habe so im Kleinen gewirkt und im Kleinen geschrieben, bis Herr Rech die Anwaltschaft übernahm, mal zu sehen, ob mit den Gedichten nicht mehr zu machen ist. Und das hat er dann auch praktiziert. Die Mentorenstelle führt er heute noch, und es ist etwas geworden. Ich schreibe für ihn als ersten Leser, aber nicht dass ich seine Ansicht vertrete. Er ist ein Mann, mit dem man umgehen kann in diesen Dingen. Wir suchen auch manchmal Themen heraus, und da findet er immer wieder Dinge, die ich noch nicht geschrieben habe und die man mal beschreiben könnte.“
„Gedichte sind Opium für uns. Wenn ich irgendwo ein Gedicht gedruckt sehe, muss ich es lesen und lasse alles andere liegen.“
„Das Dorf steht als Grunderlebnis, und über das Grunderlebnis schreibe ich. Für Hölderlin war das die schwäbisch-griechische Welt.“
„Ich sehe die Heimat als das Haus, in dem ich geboren bin, die nächste Umgebung, den Garten, bei uns ist es auch Wald, die Nachbarhäuser, die Kinder aus den Nachbarhäusern, das Wetter, das Jahr, die Jahrzehnte, die man in diesem Kreis lebt, das sehe ich als einen Heimatkreis an. Die Heimat ist die Gegebenheit des Ortes und die Gegebenheit der Zeitläufte, der kleinen oder größeren. Heimat ist für mich das Grunderlebnis, und wenn einer lange in einem bestimmten Bereich lebt, hat er eine Heimat erlebt, die einzigartig einem Raum zugerechnet wird. Und wenn er auswärts geht, sagt er: meine Jugend habe ich in meiner Heimat erlebt. So sehe ich, dass die Heimat das ist, worin er sich bewegt. Ob er sich wohlfühlt, weiß man nicht. Ob er sich mit der Heimat verkracht oder ob er in einer Ordnung mit ihr hinkommt, das sind alles Dinge, die erwägbar wären. Heimat ist die Liebe, mit der uns das Schicksal begabt, und wenn wir uns genau umsehen, ist die Heimat das Dasein überhaupt.“
„Das Sprachmaterial des Dialekts ist kantiger, gewaltiger, ist ausfälliger, ist kürzer, knapper, ist weniger melodisch, jedenfalls was den Dialekt aus meinem Dorf betrifft. Die hochdeutsche Sprache ist gefälliger, aber der Dialekt wird angeboren und ist ein Stück Wesen des Menschen ohne große Lehre. Das Hochdeutsche wird in acht Jahren gelehrt, und der Dialekt wird nebenher beibehalten und bleibt, oder er bleibt nicht. Jedenfalls, der Dialekt sondert sich ab durch seine engere Begrenzung. Wenn das Kind oder der Mensch in einem Dorf lebt, stellt der Dialekt, da er ja so häufig gesprochen wird, das eigentliche Sprachvermögen des Menschen dar. Er ist die Hauptsache der sprachlichen Kenntnisse.“
„Ja, ich schreibe für alle, und sehr leicht.“
„Lyrik kann von Bedrückung freimachen“
„Dichtung ist Leben, nicht Schmuck“
„Wer Sonette schreibt, gibt seiner Aussage eine feierliche Gestalt. Ich schreibe schlichter, der Prosa nahe Gedichte. Wer Sonette schreibt, weiß, in wie vielen Zeilen und nach welchem Aufbauprinzipien er seinen Gegenstand abhandelt. Ich muß die Zeilenzahl, den Rhythmus suchen, wie der Gegenstand es nahelegt. Die erste Zeile bereits entscheidet, ob das Gedicht gelingen kann. Der Prosa-Autor kann mit zehn mäßigen Seiten beginnen, ohne dass ein Urteil feststünde.“
„Viel Geld verdient man nicht als Lyriker, aber es geht schon mal eine Kleinigkeit ein. Woran man Geld verdient, sind die Preise. Zu meinem Erfolg zählen ja vor allen Dingen die Preise, und da habe ich auch etwas Geld erhalten können. Aber auch bei den Lesungen verdient man Geld, ich habe auch ein Stipendium vom Bundespräsidenten. Also so ungesichert, wie ich das früher war, bin ich nicht. Ich habe allerdings auch gearbeitet, ich habe 14 Jahre gearbeitet und war auf der Schule und habe auch eine Rente, sodass ich also ganz unbemittelt nicht bin.“
„Ich bin ein konservativer Mann. Ich halte von Revolution nichts.“
„Ja, ich bin auch religiös, aber nicht in diesem strengen Sinne. Ich hoffe, ich werde kirchlich beerdigt. Ich bin geboren worden und bin getauft worden und werde auch so als Christ beerdigt werden können. Ich hoffe, dass an meinem Grabe einige Gebete gesprochen werden. Und wenn es ein Wiedersehen nach dem Tode gibt, so hoffe ich, dass ich das erreiche.“
Zu den Quellen: Die meisten dieser Zitate stammen aus Notizen und Aufsätzen von Irmgard und Benno Rech beziehungsweise aus Gesprächen, die der Journalist Klaus Brill 2008 mit Johannes Kühn geführt hat. Eines der Interviews ist in voller Länge nachzulesen im EntdeckerMagazin „Johannes Kühn – Der Dichter aus dem Dorf“, Marpingen 2009, Edition Schaumberg. Im selben Heft findet sich auch ein Tagebuch von Benno Rech, dem einige dieser Zitate entnommen sind.